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Hannes Metnitzer und Ulrike Stubenböck
Dr. Günther Dankl, Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck
Eröffnungsrede zur Ausstellung
SOTTO VOCE Ulrike Stubenböck | Hannes Metnitzer
Galerie Schloss Landeck
Ulrike Stubenböck, geb. 1958 in St. Anton am Arlberg, hat 1994 ihr Kunststudium an der Hochschule Mozarteum in Salzburg beendet. Im September 95 hat sie ihre Arbeiten erstmals in Tirol, nämlich in der Galerie im Andechshof in Innsbruck, der Öffentlichkeit präsentiert. Und ein halbes Jahr später fand in Schärding in der dortigen Galerie am Stein eine weitere Ausstellung statt. Damals habe ich meinen Text über ihre Arbeiten mit der Feststellung abgeschlossen, dass die Künstlerin mit den in Innsbruck bzw. in Schärding gezeigten Bildern „am Beginn einer künstlerischen Laufbahn steht, deren erste Ausrichtung nunmehr vorliegt und auf deren weiteren Verlauf man gespannt sein darf“.
Bleiben wir zunächst bei ihren Bildern, die seit den ersten Ausstellungen eine sichtbare Reduzierung und Erweiterung zugleich erfahren haben. Auffallend ist zunächst einmal der pastose Farbauftrag mittels einer einfachen Malerspachtel in waagrechten, einander sich überlappenden Streifen und Zonen. Es ist ein streng rhythmisches, fast ritualisierend erscheinendes Farbspiel mit feinsten Nuancen und Schattierungen, das sich unseren Augen bietet und das trotz der formalen äußeren Strenge ein heiteres und befreiend wirkendes Kunstwollen vermittelt.
Betrachtet man nun dieses letztendlich sichtbare und wahrnehmbare und alle Sinne ansprechende Erscheinungsbild näher, so offenbart ein zweiter Blick, dass sich dahinter ein konsequentes, bis an die Substanz der Malerei gehendes Konzept, verbirgt. Dieses beginnt bereits mit der Wahrnehmung der sichtbaren Wirklichkeit selbst und führt über den malerischen Prozess zum Aufzeigen dessen und Nachdenken über das, was Malerei bedeutet.
Kunst ist Harmonie parallel zur Natur“. Dieser berühmte Satz von Paul Cézanne ist es, der einem bei der Analyse der Bilder von Ulrike Stubenböck unweigerlich in den Sinn kommt. Diese „Harmonie parallel zur Natur“ beginnt schon damit, dass die Künstlerin die Welt in erster Linie in ihrer farbigen Erscheinung wahrnimmt. Sie hält im Kopf, mit der Kamera oder im Skizzenbuch fest, was ihr auf Spaziergängen, ihren Wanderungen in die Berge, während des Fahrens mit dem Mountainbike oder alltäglich in ihrer unmittelbaren Umgebung auffällt, so z.B. das Rot der Rosen, die Farbenpracht einer Blumenwiese, das Gelb eines Kornfeldes oder die Stimmung nach einem Gewitter. Diese farbigen Erscheinungen bilden die Basis und den Ausgang für eine „analytisch-prozessuale Malerei mit Sinnlichkeit“ (Florian Steininger in Parnass 01/2006), bei der die Künstlerin dem Vorbereitungsprozess die gleiche Sorgfalt und Gewichtigkeit beimisst, wie dem eigentlichen Malakt selbst.
Neben dem äußeren Eindruck und der Idee, ist es dann das Handwerkliche, das zu Stubenböcks Verständnis von Malerei gehört. Das eigenhändige Aufspannen der Leinwand auf den Keilrahmen; ihr sorgfältiges Grundieren mit Knochenleim, Kreide und Titanweiß sowie das anschließende Auftragen mehrere Malschichten mit dem Pinsel bis das Bild jenen Grundton erhält, auf den die Künstlerin dann den eigentlichen Malprozess selbst ausführt. Dieser beginnt mit dem pastosen Aufbringen von drei reinen Farben, die sie mit Blick auf die spätere Richtung, die das Bild nehmen soll, auswählt und anschließend mit einer breiten Spachtel von links oben beginnend in gleichmäßigen Streifen und Balken so lange mischt, bis das Bild im Kopf auf der Leinwand seine Entsprechung findet. „Sich Farben mischen möchten – Der Augenblick des Bildes“ nennt sie auch einen eigenen Text, in welchem sie den eigentlichen Entstehungsprozess ihrer Bilder ausführlich beschreibt.
Der von ihr so bezeichnete kontrollierte „Augenblick des Bildes“, das bewusste „Moment des Einfrierens“ und des Entscheidens sind es, was letztendlich die künstlerische Intuition und das Können, wenn man es so bezeichnen will, von Ulrike Stubenböck auszeichnen. Darin enthalten ist ein Gefühl für Stimmungen und Atmosphärisches ebenso wie ein Gespür für Natur und Landschaft, d.h. für all das, was einen großen Teil unserer Erfahrung von Welt ausmacht. Assoziationen die sich dabei einstellen sind Wärme, hervorgerufen durch rot-schwarze Töne, braun-grüne Malerei lässt an Wiesen und Erde denken wie blaue Töne an Himmel und Wasser. Zugleich spürt man in ihren Bildern aber auch die Konsequenz und Intensität eines rein bildnerischen Handelns, „das ganz bei sich ist, eine Konzentration auf das einzelne Bild und zugleich eine Energie, die von Bild zu Bild führt. Das Bild ist das Wesentliche und der Ort aller Entscheidung.“ (Volker Adolphs)
„Bildnerisches Gestalten ist eine Form der "Sprache", die jedem eigen ist, aber mit der nicht jeder "gelernt" hat umzugehen. Sie ist wie ein Instrument, das kontinuierlich "geübt" werden muss, um seine Ausdrucksvielfalt zu bewahren“, beschreibt hingegen Hannes Metnitzer den seinen bildhauerischen Arbeiten zugrunde liegenden künstlerischen Prozess. Metnitzer, 1963 in Unzenmarkt in der Steiermark geboren, hat ebenso wie Ulrike Stubenböck die Hochschule Mozarteum in Salzburg absolviert, wo er von 1985 bis 1991 bei Ruedi Arnold Bildhauerei studierte. Seit 1994 lebt und arbeitet er in Obsteig; seit dieser Zeit lehrt er auch an der Sozialakademie in Stams.
Sucht man nun nach dem Verbindenden der Arbeiten von Ulrike Stubenböck und Hannes Metnitzer, so ist es – von der gemeinsamen Ausbildungsstätte abgesehen - zunächst das von Metnitzer beschriebene Handwerkliche im wahrsten Sinne des Wortes. Beide legen auf die Handfertigkeit Wert. Auf den Entstehungsprozess der Gemälde von Stubenböck habe ich bereits hingewiesen; Metnitzer macht seine Skulpturen ebenfalls ausschließlich selbst und verwendet keine Hilfen von Außen.
Den Ausgangspunkt seiner Skulpturen aus Stahl bilden Mäanderformen, wie sie der Künstler auf Wänden, Stoffen, Tüchern oder Tapeten vorfindet und die er nach bestimmten Regeln in die Dreidimensionalität überführt. Ähnlich wie bei Stubenböck, die ihre Bilder ebenfalls nach einer konzeptuellen Vorgangsweise anlegt, ist auch bei Metnitzer das Künstlerische an seinen Skulpturen nicht die Regel oder die Logik selbst, sondern die Schaffung von Harmonie und Ruhe bei gleichzeitiger Spannung. Es ist ein ausgewogenes und gekonntes Spiel mit Strukturen und Beziehungen zwischen Flächen, Linien und Körpern. Metnitzer zerlegt und fügt zusammen. Elementare und wohl aufeinander abgestimmte Formen fügen sich einem Puzzle gleich zu einer harmonischen Gesamtheit zusammen, bei der nichts weggenommen, aber auch nichts hinzugefügt werden kann. Alles folgt einem unsichtbaren Bauplan ohne jedoch bewusst konstruiert oder gebaut zu wirken. Im Gegenteil, auf dem Boden groß in den Raum gestellt, treten sie in einen konstruktiven Dialog mit diesem; in verkleinerter Form auf eine Basis oder einen Sockel gestellt, werden sie in die Unabhängigkeit entlassen und erlangen somit eine Art Modellcharakter für ein organisches Formen und Gestalten von Welt.
Ähnlich verhält es sich mit den Raumscheiben aus Kunststoff, die der Künstler von der Decke abhängt - und somit in den Raum stellt – oder auf einem Sockel präsentiert. Auch ihr Bauplan folgt nach bestimmten geometrischen Vorgaben und Regeln. Das vor Auge geführte Ergebnis hingegen, wirkt alles andere als streng und mathematisch bestimmt, sondern folgt vielmehr einem genussreichen Spiel mit konvex und konkav, mit dick und dünn, rund und oval sowie weich und hart. Auch hier bedient sich der Künstler der Geometrie und der strengen Formensprache, um ihnen durch die Kunst gleichsam ein Schnippchen zu schlagen und sie in ihr Gegenteil zu kehren.
Sowohl die Bilder von Ulrike Stubenböck als auch die Skulpturen von Hannes Metnitzer entziehen sich einer vorschnellen Einvernahme ebenso wie einer rein zeitgeistigen Zuordnung. Bei beiden stehen die „eigenen Ausdrucksmöglichkeiten“, die „Selbsterfahrung mit bildnerischen Mitteln“ und das Erkunden der ihnen jeweils eigenen Techniken im Mittelpunkt, wie das Metnitzer in Bezug auf sein eigenes Schaffen einmal ausgedrückt hat. An Ihnen, meine Damen und Herren, liegt es, sich sowohl davon als auch in erster Linie von den ausgestellten Werken leiten zu lassen, und zu neuen, von der jeweils eigenen Biographie geprägten Erfahrungen zu gelangen.
Günther Dankl
Hannes Metnitzer
clean lines
Die Galerie im Andechshof zeigt mit CLEAN LINES dreidimensionale Werke von Hannes Metnitzer. Hannes Metnitzer (geb. 1963 in Unzmarkt, Steiermark) hat an der Kunstuniversität Mozarteum in Salzburg studiert und lebt und arbeitet seit 1994 in Tirol.
Der Titel der Ausstellung clean lines/klare Linien nimmt Bezug auf die Konzeption der Arbeiten und deren Genese. Gezeigt wird eine selbstreferenzielle Kunst, die sich auf bildhauerei- und raumimmanente Fragestellungen bezieht. Trotz des konzeptuellen Ansatzes spielt sich in der Umsetzung die sinnliche Wahrnehmung des Werkes in den Vordergrund.
Das scheinbare Paradoxon von Konzept und Sinnlichkeit wird dem Betrachter zur Erfahrung gebracht.
Die Formen der Skulpturen werden durch außen (den Schnittverlauf festlegende) definierte Schablonen festgelegt. Die entstehenden Schnittflächen werden durch diese bestimmt, können aber in einer räumlichen Vorstellung kaum vorgedacht und vorgestellt werden.
Durch das Dagegensetzen einer zweiten Schnittfläche, die durch dieselben Linien oder eine neue Konstellation definiert wird, entsteht eine Skulptur die durch zwei Schnittflächen ein „durch Zufall entstandenes“ Volumen eingrenzen. Die durch determinierte Linien vorgegebene Schnittrichtung bestimmt die Außengrenze der entstehenden Styroporskulptur. Dieses nichtbeständige Material bekommt als Formfestigung eine Haut aus Kunstharz die den nichtbeständigen Innenteil der Skulptur schützt und stützt aber auch versteckt.
Die Linie gehört zum Vokabular des Bildhauers. Die dominanteste Rolle spielt dabei die Umrisslinie, die Kontur.
Die Kontur übertönt alle anderen, die Binnenlinien, die Binnenkonturen, Grate und Rillen. Sie vermittelt dem Rezipienten als erstes eine mögliche Gesamtform der dreidimensionalen Erscheinung, obwohl sie sich erst sekundär aus Körper, Masse und Fläche ergibt. Linien im Raum unterscheiden sich wesentlich von Linien eines Gemäldes oder einer Grafik: Sie liegen selten in einer Ebene, sondern verlaufen in drei Dimensionen.
Dadurch werden ihre Formqualitäten und Bewegungsqualitäten mannigfach vervielfältigt, bereichert, gesteigert und auch verkompliziert.
Durch einen Standortwechsel des Rezipienten ändern sich räumliche Bezüge, Form und Verlauf der Linien. Das heißt also, dass sich die Linien selbst verändern.
Die Linie ist lang durchlaufend, kurz, nervös gebrochen, ruhig anhaltend, abrupt endend, leicht ausschwingend, stark gekrümmt, gerade, die Richtung ständig ändernd, den Krümmungsradius beibehaltend, den Radius vergrößernd, verkleinernd, streng im Sinne einer mathematischen Gleichung deren Verlauf gesetzmäßig gesteuert ist, unregelmäßig, locker, gespannt, linear, malerisch, spazierend, erregt, …
„Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass Linien nichts darstellen müssen, dass Linien nicht Formen beschreiben, dass keine strukturelle Beziehung zwischen ihnen bestehen muss. Sie müssen nicht auf Emotionen und Reaktionen gründen - entscheidend ist das Vergnügen an den Unterschieden zwischen den einzelnen Linien und den sich daraus entwickelnden Formen … und das finde ich reizvoll und spannend.“(H.M.)
„Die Skulpturen von Hannes Metnitzer entziehen sich einer vorschnellen Einvernahme ebenso wie einer rein zeitgeistigen Zuordnung.“ (Günther Dankl)
Herzlich willkommen zur Ausstellung „Lineaturen“ des Obsteiger Bildhauers
Hannes Metnitzer.
Eine Linie ist eine Linie ist eine Linie und so weiter und so fort.
Bevor ich über die Linie spreche, müssen wir über den Punkt zwischen allem
reden. Der Punkt ist kosmisch gesehen Urelement.
Der Punkt ist nicht dimensionslos, sondern eine unendlich kleine Fläche,
rund - ruhend – unbeweglich.
Kurz nach dem Ansetzen des Stiftes, oder was man sonst zum Zeichnen
einsetzt, entsteht durch die Bewegung als Vorbedingung eine Linie.
Eine aktive Linie oder wenn man so will eine dynamische Bewegung eines
Punktes der zur Linie wird.
Eine aktive Linie, die sich frei ergeht, könnte man mit einem Spaziergang
vergleichen, der um seiner selbst willen ohne Ziel ist.
Die lineare Spannung einer befristeten Linie vollzieht sich innerhalb ihres
Weges von A – nach B – das heißt – sie endet irgendwann, wie der
Spaziergang auch.
Diese Strecke ist nicht frei, weil sie die kürzeste Gerade zweier Punkte ist.
Sowohl die freie Linie als auch die befristete Linie sind aktive Typen.
Wird eine Linie geschlossen oder kehrt zu ihrem Ausgangspunkt zurück,
entsteht ein Kreis, ein Viereck, ein Dreieck oder eine umrisshafte Fläche, eine
zusammengesetzte Form. Wird ein Viereck auf die Spitze gestellt, wechselt
es ins Dynamische. Wird ein Kreis hochgestellt, geht er ins Ruhende über.
Werden bestimmte Formen zweidimensional berührt oder dringen sie sogar
ineinander, nennt man es auch Flächendurchdringung-oder Überschneidung.
Im Werden haben diese Figuren linearen Charakter, zu Ende geformt wird
diese Eigenschaft von der Flächenvorstellung abgelöst. Bei einer vollen
Fläche ist die Linie nicht zu sehen, weil es eine passive Linie ist.
Spannung von Linie zu Linie ergibt also Fläche.
Es gibt ein Innen und ein Außen, ein Eingeschlossen sein und ein
Ausgegrenzt.
Das Ursächliche dabei ist aber ein gegenseitiger Spannungswille.
Wir halten fest – die Linie bewegt sich, ergibt die Fläche, die Fläche bewegt
sich und es entsteht ein Körper – also Spannung von Fläche zu Gegenfläche
= Körperbildung.
Wenn wir behaupten, dass alle Gestalung Bewegung ist, stellt sich die Frage:
Wie gestalte ich die Bewegung von hier nach dort? Sie beginnt irgendwo und
endet irgendwo. Gestalt ist demnach auch etwas Lebendiges.
Stellt man sich Eisenbahnschienen vor, die parallel gleichverlaufend sich von
uns wegbewegen, entsteht der Eindruck, dass sich diese beiden Linien in der
Unendlichkeit treffen in Wahrheit sind sie aber parallel.
Wir sind ins räumliche Gebiet gelangt, in die dritte Dimension. Wir treiben
Perspektive; die erstmals in der Renaissance zwischen 1410 und 1420 von
Fillippo Brunelleschi geometrisch nachgewiesen und konstruiert wurde.
Das normale Sinnbild von Körperlichkeit ist also die dritte Dimension.
Über die Linie gäbe es noch sehr viel zu erzählen.
Schon in seinem Buch: „The Line of Beauty“ erwähnt der englische Maler
William Hogarth 1745, dass die Schönheitslinie eine Wellen-und
Schlangenlinie ist, dreidimensional wie ein geschweifter Draht, wie ein
geschwungenes S
und Peter Handke schreibt auf der ersten Seite im Versuch über den
geglückten Tag, ein Augenblick aus dem achtzehnten Jahrhundert, mit einer
Palette, auf dieser, eine leicht geschwungene Linie, die sogen. „Line of
Beauty and Grace“ als Diagonale, mit einer feinen, wie spielerischen, genau
im rechten Moment von der Geraden abweichenden Krümmung, eine
kalkweise Ader, welche beide Hälften trennt und zusammenhält.
Ich kenne Hannes Metnitzer nun fast 10 Jahre und konnte den
Entwicklungsprozeß seiner Arbeiten aus nächster Nähe mit verfolgen.
Waren seine letzten Arbeiten schwere mäandernde Eisenplastiken, die er
„Laufende Hunde“ oder Raumringe nannte, sind seine hier in Reutte
ausgestellten Werke Raumscheiben und filigrane lineare Arbeiten.
Nicht wie bei einer Skulptur, bei der das Material z.B. aus dem Stein
herausgehauen wird, wird die Plastik aus bildsamen Massen modelliert – es
kommt also ein aufbauendes Verfahren zur Anwendung und kann durch
Gießen schmelzbarer oder aushärtender Stoffe, wie z.B. Polyester oder
Beton entstehen oder durch Zusammenfügen verschiedener oder gleicher
Materialien.
Die Materialien die hier zur Anwendung kommen sind Eisen, Eisendraht,
Epoxy-Harz, Styropor oder Beton. In seinen Arbeiten taucht immer wieder
die Wellenform auf, die an sich linear und fließend ist – programmatisch für
den Titel dieser Ausstellung.
Bei den Raumscheiben wird ein Kreis durch eine Ondulation, d.h. eine Vorund
zurückbewegung der Linien aus ihrer ursprünglichen Form gebracht und
für den Betrachter elliptisch. Ein Zylinder aus Styropor wird zwischen zwei
gegenüberliegenden Schablonen aus Sperrholz gestellt, die bogenförmig
konvex und konkave Biegungen haben. Auf dem Grat dieser Schablonen wird
ein Heißdraht geführt, der den Zylinder im Querschnitt durchtrennt. Nach dem
Schnitt wird der Zylinder leicht gedreht und angehoben und der
Schneidevorgang nochmals wiederholt. Es sind zwei gegenläufige
Schnittflächen entstanden.
Als Außenhaut wird über dem Styroporkern eine harte Polyesterschicht
aufgetragen, die im Gegensatz zu den glatten Raumringen - eine
gespachtelt- strukturierte Oberfläche haben und das Ganze stabilisieren.
Neben den in sich abgeschlossenen, hermetischen Formen ist auch eine
spielerische Komponente kennzeichnend, die sich im Gestaltungsprinzip der
seriellen Reihung zeigt.
Eine Form kann eine andere Form beeinflussen, ergänzen oder in Beziehung
setzen. Dieser formale Kontrast zwischen den Raumscheiben bildet den
Ausgangspunkt für unterschiedliche Assoziationen wie z.B. Naturformen.
Scheinbar ist nichts dem Zufall überlassen.
Es wird ein genauer Bauplan erstellt, damit die Konstruktion exakt umgesetzt
werden kann. Anders als bei der kinetischen Plastik, bei der es eine
sichtbare Bewegung -oftmals einhergehend mit Geräuschen – wir kennen
das von Tinguely – gibt, ist die Bewegung hier nur scheinbar gegeben.
Dem Wesen nach ist sie statisch und ohne symbolische Bedeutung.
Bei den neuen hier gezeigten Arbeiten aus Eisendraht wurden die
Begrenzungslinien des Umfangs von Raumscheiben abgewickelt und
in wahrer Länge wiedergegeben und im Winkel neu angeordnet.
Scheinbar simultan verlaufende Linien beziehen ihre Wirkung aus der Leere.
Der leere Zwischenraum eröffnet dem Betrachter die Möglichkeit, eine Fläche
zu sehen, ohne dass diese dargestellt ist. Fülle und Leere operieren
miteinander. Der Zwischenraum ist ebenso Bestandteil der Plastik wie der
Raum, in der sie schwebt.
Ähnlich der gegenstandslosen Minimal Art vermeiden sie jede Art von
Bezügen und konzentrieren sich stattdessen sehr stark auf die
vorherrschenden Licht-und Raumverhältnisse.
Zum Abschluß möchte ich noch ein Zitat anbringen:
Ein Mann klettert auf einen Berg, weil er da ist.
Ein Künstler macht Kunst, weil sie noch nicht da ist. (Carl Andre)
Mag. Johannes Schlack
HANNES METNITZER
GEDANKENGÄNGE ZU DEN WERKEN von Hannes Metnitzer
Mag. Dörrer-Metnitzer Maria
Die Arbeiten zeigen Auseinandersetzungen mit Strukturen, mit harmonischen Beziehungen zwischen Flächen, Linien, Formen. Da gibt es erhabene Teile, sogenannte Positivteile, und ihre Gegenstücke, also Vertiefungen. Da gibt es Winkel, Schrägen, Zacken, die miteinander ein Gefüge bilden, nicht irgendeines, kein beliebiges freilich. Wie von einer mathematischen Gleichung bestimmt, fügen sich alle Teile der Arbeit zusammen.
Der neugierige und forschende Blick sucht nach der Regel ihres Aufbaus, nach einem roten Faden im Gebilde. Wie ein Biologe oder Geologe sich kaum damit zufrieden gibt, eine Pflanze, einen Kristall einfach nur schön zu finden, zu genießen, sondern in Wirklichkeit das Geheimnis ihres Aufbaus erfassen möchte, dem innewohnenden Bauplan auf die Spur kommen will, so verhält es sich auch mit den Betrachtern von Kunstwerken wie diesen.
Kaum einer will sich mit Recht damit abspeisen lassen, dass eine Arbeit „nur“ schön anzuschauen ist, Ruhe und Harmonie verbreitet. Die meisten Betrachter verhalten sich wie Forscher, die eine versteckte Botschaft ergründen wollen, die im wahrsten Sinne des Wortes etwas erkennen wollen. Und ich gebe ihnen recht, wenn sie diesen Anspruch verfolgen wollten.
Allerdings, wonach suchen wir? Hannes Metnitzer macht es uns in einer gewissen Weise nicht leicht, etwas zu identifizieren – oder suchen wir denn gar nach dem Falschen, nach Abbildungen von Naturgegenständen, nach literarischen Bezügen oder dergleichen. Hier wird man natürlich nicht fündig.
Um noch einmal auf den Vergleich mit den Biologen und der Natur zurückzukommen:
Wie die Natur ihre Gestalten hervorbringt, aus unvorstellbar vielen Atomen zusammengesetzt, immer aber einem wunderbaren Bauplan folgend, immer wieder anders und so für den Biologen ein aufregendes Forschungsterrain wird, so geht auch ein Künstler wie Hannes Metnitzer daran Gestalten zu entwickeln, die einer Regel folgen und dem Auge und Geist Genuss bereiten.
Was sich uns als einfache Gebilde ausgeben, erweisen sich spätestens dann als sehr komplex, wenn man z.b. eine der Arbeiten in Gedanken rekonstruieren würde oder einer unbeteiligten Person beschreiben oder aufzuzeichnen vorhätte. Ja – wird man sich in solchem Falle fragen – wie stark war eigentlich die Neigung des Körpers, nach welcher Seite hat er sich geneigt, sind das vielleicht durchgehend gleiche Winkel in verschiedenen Richtungen usw.. Oder im anderen Falle: Eine Positiv- und Negativform dicht aneinandergestellt, zusammengefügt – was gibt es da zu ergründen? Doch da wird der kritische Blick stutzig: Passt das Positiv wirklich so leicht ins Negativ, muss es nicht erst im Kopf des Betrachters, in der Vorstellung also, gedreht, gekippt, verschoben werden um ineinander zupassen?
Zweierlei Dinge werden deutlich: 1. Was Hannes Metnitzer darstellt, kann nicht erzählt werden, es muss erschaut werden. 2. Das Aha-Erlebnis der Erkenntnis stellt sich erst ein, wenn man wie bei einem Rätsel alle Teile schlüssig zusammenfügen kann, sodass sie einen Sinn ergeben.
Hannes Metnitzer lässt uns auch Beziehungen suchen, durchgehende Ordnungen zwischen Längen, Entfernungen, Winkeln, Durchmessern etc.. Wie verhält sich eine Fläche zur anderen, wie sind die Teile miteinander verwandt?
Keiner der Gliederformen einer Plastik ist maßstabsmäßig von den anderen unabhängig, im Gegenteil, hat man das entscheidende Maß, die entscheidende Grundordnung gefunden, ist dies ein Schlüssel zur Erklärung aller anderen Teile im Werk. Alles fügt sich wie ein Puzzle mühelos in eine gemeinsame Logik.
Das künstlerische an den Arbeiten ist jedoch nicht die Regel oder Logik selbst, sondern die Schaffung von Harmonien ohne Gleichförmigkeit, Ruhe ohne Langweile, Spannung ohne Wirrnis. Nur dadurch, dass sich die Logik nicht schrill in den Vordergrund drängt, sondern verborgen bleibt, kann die Wirkung auch über die Regel hinausweisen. So logisch wie die Plastiken aufgebaut sind, streifen sie doch das Unerklärliche.
Max Bense hat einmal gesagt: „ Eine Wellenlinie ist nicht schön, sofern darunter ihre pure mathematische Zuständlichkeit, die Gleichung, das Kurvenbild verstanden wird. Sie werde schön, wenn sie auf einem bestimmten Bildgrund, in einer bestimmten Technik gefertigt sei, und in diesem und jenen Flächenverhältnis aufgesetzt wird.“ (Bense, Max: Aesthetica I. Metaphysische Beobachtungen am Schönen. Stuttgart 1954, S. 42 )
Hannes Metnitzer liefert uns hierfür ein Beispiel: Am Anfang des Arbeitsprozesses standen ebenfalls Wellenlinien (wenn sie die Kontur betrachten). Hannes Metnitzer verbindet sie in einer Art und Weise miteinander, dass schwingende Flächen entstehen, alles in Bewegung scheint, durchzogen von Kräften. Er erreicht es, daraus eine Momentaufnahme einer Bewegung zu schaffen, einen kurzfristigen Ist-Zustand eines unbegrenzten Ablaufes.
Ich wage zu behaupten, Hannes Metnitzer bediene sich der Geometrie und strengen Formsprache nur deshalb, um allen Vorurteilen zum Trotz, deren immanente Lebendigkeit zu beweisen.